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»Ich bin dann mal weg«. Spätestens seit Hape Kerkelings Bestseller träumen immer mehr Menschen davon, bei einer mehrtägigen Wanderung dem Alltag zu entfliehen. Der Jakobsweg oder der deutsche Eifelsteig sind zu hochfrequentierten Weitwanderwegen geworden. Auch Hütten-Trekkings in den Alpen sind sehr beliebt.
Das ultimative Wanderabenteuer geht noch darüber hinaus: Bei mehrwöchigen oder sogar mehrmonatigen Fernwanderungen realisiert eine wachsende Community den Traum von der schier endlosen Auszeit – eben soweit die Füße tragen. Legendäre Fernanderwege wie der Pacific Crest Trail in den USA versprechen absolute Freiheit und unzählige Erlebnisse, die man sich Tag für Tag, Woche für Woche in einer sich verändernden Natur erwandert.
Mit einer Reihe von Artikeln möchten wir Dir helfen, dass Dein Traum von der Fernwanderung wahr wird. Wir klären wichtige Fragen zur Ausrüstung und Vorbereitung solcher XXL-Touren, verraten Dir die schönsten Fernwanderwege und sprechen mit Weitwander-Profis über ihre Erfahrungen.
Zunächst aber ergründen wir hier die Faszination des Fernwanderns. Was macht den Reiz dieses Abenteuers aus? Außerdem klären wir häufige Fragen rund ums Weitwandern.
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Der US-amerikanische Weitwanderer, Kletterpionier und Abenteurer Ray Jardine erklärt den Reiz des Fernwanderns so: »Du hast kein Haus und keine Wohnung, wohin Du am Abend zurückkehrst. Kein Auto. Aber Du hast alles, was Du brauchst – in Deinem Rucksack.«
Ganz ähnlich schwärmt der österreichische Weitwanderer Peter Hochhauser: »Kein Handy-Empfang, keine Verpflichtungen … das Draußensein ist etwas sehr Befreiendes«.
Aber muss es denn gleich so lang sein?
Ja, sagt Peter nach seinen Fernwanderungen auf dem 4265 Kilometer langen Pacific Crest Trail und dem Pacific Northwest Trail (1930 km): »Man kann nirgends so gut abschalten wie auf einer langen Wanderung. Und das Gefühl von Freiheit stellt sich bei mir meist erst nach ein paar Wochen ein.« (–> Lesetipp: Tourenbericht vom Pacific Crest Trail)
Weitwandern ist also mehr als ein imposantes Naturerlebnis. Viele finden auf dem langen Weg auch zu sich selbst. Was genau muss man sich aber unter einer Fernwanderung vorstellen? Und wo beginnt das ganz große Abenteuer?
Weitwandern, Fernwandern, Trekking … Für das Wandern über lange Distanzen gibt es in der Outdoorwelt mehrere Bezeichnungen. Das Spektrum beginnt bei einer mehrtägigen Wanderung, bei der man zum Beispiel auf drei Hütten oder Zeltplätzen in Folge übernachtet. Hierfür bietet sich, nicht zuletzt in Europa, ein dichtes Netz an Fernwanderwegen an. Von der Kulturwanderung über den Pilgerweg bis hin zur Alpenüberquerung – alles ist möglich.
Nicht nur vom Zeitaufwand eine Steigerung sind dagegen die großen Weitwander-Trails wie der Pacific Crest Trail, der Appalachian Trail oder der Continental Divide Trail. In den USA hat sich hierfür der Begriff ›Thru-hiking‹ durchgesetzt. Streng genommen bedeutet so ein ›Thru-hike‹, einen Fernwanderweg vom Anfang bis zum Ende ohne Unterbrechung durchzuwandern. Puristen sind dabei mit minimalem Gepäck und je nach Witterung Tarp oder Zelt unterwegs.
Solche XXL-Weitwander-Trails wiederum lassen sich in drei Arten unterscheiden:
So differenziert sich das Weitwandern in immer mehr Spielarten aus. Ein gänzlich neuer Trend? Keineswegs. Denn eigentlich bewegen wir uns damit auch zurück zu unseren Wurzeln.
Wandern ist die älteste Form der menschlichen Fortbewegung. Auch wenn den Mouse-klickenden Büromenschen bei dem Gedanken Kurzatmigkeit überkommt und sich Schweißperlen auf der Stirn bilden: Der Homo sapiens ist ein geborener Marathonläufer.
LESETIPP: INTERVIEW MIT ANKE MÜLLER
Einmal Weitwanderin – immer Weitwanderin. Als Anke Müller aus Stuttgart bei ihrer ersten Fernwanderung nach vier Monaten und über 4000 Kilometern das Ende des Pacific Crest Trails erreichte, hatte sie das Gefühl, es müsse noch ewig so weiter gehen. Monatelange Wanderungen sind mittlerweile der Fixpunkt, um den sich ihr Leben dreht. Und damit ist sie längst nicht die Einzige.
Weitwandern macht süchtig. Wieso? Die wichtigsten Gründe:
Auf einer Fernwanderung wird der Minimalismus zur wegweisenden Erfahrung. Weniger ist mehr. Das betrifft die Ausrüstung. Bisweilen aber auch die sozialen Kontakte. Die Bekanntschaften unterwegs, sie werden bewusst gewählt und dosiert. Genau wie das einfache Essen. Wie der wuchtige Strahl des eisigen Wasserfalls statt des Massageduschkopfes im heimischen Bad.
Für manche hat die Entdeckung der Einfachheit beinahe etwas Erleuchtendes. Das tägliche Tempo, die Länge der Etappen bestimmst Du selbst. ›Hike. Eat. Sleep. Repeat.‹ Du hältst durch, siehst, wozu Du fähig bist, wenn Du dranbleibst, Tag für Tag. Das gibt Selbstvertrauen.
Mehrere hundert oder gar tausende Kilometer zu wandern – »nie im Leben hätte ich an so etwas gedacht«, blickt Christine Reed aus Kalifornien zurück. »Ich feierte zu viel, bewegte mich zu wenig.« Trotzdem fand sie sich mit Mitte Zwanzig auf dem 3500 Kilometer langen Appalachian Trail wieder. (–>Mehr dazu: Mein erster Weitwander-Trail)
Auch Dich müssen solche Extremdistanzen nicht mutlos aufs Sofa sinken lassen. Die Formel, mit der sich vermeintlich unmögliche Fernwanderrouten schaffen lassen, ist kein Geheimnis: »Schritt für Schritt, immer schön piano!«
Routinierte Weitwanderer:innen sind sich einig: Die Fitness wächst während der Marathontour automatisch. Was zählt, ist der klare Entschluss, sich aufzuraffen und sich von den Hürden auf den ersten Etappen mental nicht kleinkriegen zu lassen.
Ganz einfach: Wo immer Du willst. Weitwanderer:innen sind keine Grenzen gesetzt. Am einfachsten sind markierte Weitwanderwege. Aber auch die Möglichkeit, sich die Route selbst zusammenzustellen oder sich als Pfadfinder auf einer nur grob beschriebenen Route zu bewähren, hat ihren Reiz.
Das Potenzial, Dich zu steigern, ist beinahe endlos – genau wie die Zahl der Pfade, die Du wählen kannst. Über zwei Dutzend Anregungen findest Du in unseren Artikeln über Weitwanderweg-Klassiker und Weitwanderweg-Geheimtipps.
Es gibt also eine Menge Gründe, weshalb Fernwandern eine unvergessliche Erfahrung ist. Die Frage »Lohnt es sich, dafür so weit zu laufen?« wirst Du Dir unterwegs immer wieder stellen. Weitwander-Routiniers würden zur Antwort wohl ihren Blick sehnsuchtsvoll in die Ferne schweifen lassen … und nur ganz entspannt nicken.
Es müssen ja nicht gleich Ultradistanzen wie das 5000 Kilometer weite ›Greater Patagonian Trail‹-Netzwerk oder der 6400 Kilometer lange Yangtze River Trek sein. Zum Reinschnuppern reicht schon eine Woche im eigenen Land.