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Anke Müller trägt einen Doktortitel in Agrarbiologie. Im ›Hauptberuf‹ aber ist die Stuttgarterin ein Wander-Freak. Wenn die 37-Jährige auf Tour geht, dann nicht für Tage oder Wochen – ihre Zeitdimension sind Monate. Dabei zieht sie ihre XXL-Trekkingtouren völlig autark durch, ohne Sponsoren und mit minimaler Ausrüstung. Und zwischen ihren Fernwanderungen hält sie sich finanziell mit Jobs am Fließband oder auf Märkten über Wasser.

Ankes erste große Weitwanderung war im Jahr 2016 der Pacific Crest Trail (USA). Seither sind jede Menge weitere Marathon-Hikes dazugekommen: der Greater Patagonian Trail (Südamerika), der Te Araroa Trail in Neuseeland, der Continental Divide Trail (USA), die Via Dinarica in Mazedonien und Albanien sowie die Trekkingtour Göteborg – Nordkap im Sommer 2020.

Gerade ist Anke zu ihrem bisher längsten Wander-Abenteuer gestartet: von Stuttgart nach Nepal. Ein Projekt, das sich wohl über mehrere Jahre ziehen wird.

»Eine zweiwöchige Trekkingtour ist für mich noch keine Fernwanderung«

Anke, Vielfahrer mit dem Auto definieren sich oft über die jährliche Kilometerleistung. Was ist Deine Kilometerleistung beim Wandern pro Jahr?

Ich schätze, es sind mehr als 4000 Kilometer pro Jahr. Seit meiner ersten Weitwanderung auf dem Pacific Crest Trail sind in fünf Jahren locker 20.000 Kilometer zusammengekommen. Aber es geht mir nicht um die Kilometer. Für mich zählt die Zeit, die ich zusammenhängend unterwegs bin. Oft sind es fünf oder sechs Monate. Eine zweiwöchige Trekkingtour ist für mich noch keine Fernwanderung.

Dumme Frage, weshalb wanderst Du so weite Strecken?

Die wichtigsten Aspekte für mich sind … Bewegung, Herausforderung, Freiheit. … Ziele erreichen … auf jeden Fall Landschaft und Natur … auch mal dreckig zu sein … immer etwas Neues zu sehen. Und: Für mich sind diese weiten Strecken wie ein langer, harmonischer Fluss.

Draußen zuhause: Anke Müller ist rund die Hälfte des Jahres auf Weitwanderungen unterwegs. Die Bilder in diesem Artikel entstanden während des Interviews bei einer Wanderung in der Schwäbischen Alb.

Weitwandern als Lebensentwurf

Siehst Du das als Lebensabschnitts-Lifestyle?

Zum jetzigen Zeitpunkt sage ich, das wird bis an mein Lebensende so weitergehen, solange ich noch laufen kann. Ich habe da etwas gefunden. Etwas Dauerhaftes.

Wie gelingt Dir das finanziell?

Ich führe ein einfaches Leben. Zwischen meinen Fernwanderungen arbeite ich. In der Regel sind das Aushilfsjobs. Ich habe das Glück, dass ich für meine Wohnung keine Miete zahlen muss. Ich habe kein Auto, kaufe nicht ständig neue Klamotten, all das brauche ich nicht. Und wenn ich auf einer Weitwanderung mal nicht im Zelt übernachte, google ich ewig, ob ich nicht doch eine billigere Unterkunft finde. Das mag für manchen arg spartanisch klingen. Für mich ist die damit verbundene Freiheit ein großer Gewinn.

Könntest Du nicht mit Vorträgen und als Outdoor-Influencerin Geld verdienen?

Es wäre reizvoll, Geld mit dem zu verdienen, was mir Spaß macht. Aber ich würde Gefahr laufen, meine Freiheit zu verlieren. Ich sehe das an anderen. Die müssen ihre Blogs schreiben und dafür immer wieder Tage in der Zivilisation verbringen, anstatt weiter zu wandern. Genau das will ich nicht. Trotzdem habe ich mich vor kurzem durchgerungen, auch andere an meinen Abenteuern teilhaben zu lassen. Wenn ich Lust darauf habe, schreibe an meinem Blog über meine aktuelle Weitwanderung in den Himalaya.

Einsam auf der Weitwanderung? Anke Müller liebt die Freiheit und Unabhängigkeit auf ihren Solo-Touren.

»Die Freiheit, tun zu können, was ich will, macht einen großen Teil der Faszination aus.«

Bist Du auf Deinen Fernwanderungen eine Einzelgängerin?

Ich war schon immer gerne allein unterwegs. Aber ich bin keine Eremitin auf Dauer. Ein Jahr allein in einer Holzhütte in Alaska, das wäre nichts für mich. Doch auf den Trails durch die Natur ist das meine bevorzugte Gangart. Selbst wenn sich andere auf Wüstenabschnitten oder für Etappen mit Schnee im Hochgebirge zusammentun, will ich das lieber für mich erleben. Um mich herum auf großer Trekkingtour nichts als Wildnis, Berge, Seen, Meer, Tiere – das weckt den Entdeckergeist.

Die Freiheit tun zu können, was ich will, meinen eigenen Rhythmus zu leben, macht einen großen Teil der Faszination aus. Da spielt wohl auch mit rein, dass mein Vater ziemlich dominant war. Auf den Weitwanderungen habe das genaue Gegenteil erfahren: eine enorme Unabhängigkeit.

Als Frau allein unterwegs – wie reagieren andere darauf?

Die meisten sind verblüfft: Als Frau – alleine? Wenn ich dann erkläre, dass es am Stuttgarter Hauptbahnhof bestimmt gefährlicher ist, als allein in der Pampa rumzulaufen, verstehen sie, dass ich keine Angst habe. Es wartet doch keiner tagelang hinterm Busch, bis vielleicht mal eine Hikerin auf ihrer Fernwanderung vorbeikommt.

Ein bisschen Glück und Naivität sind da sicher auch nötig. Aber ich glaube, wir lassen uns zu sehr von gesellschaftlichen Klischees verunsichern. Natürlich passe ich auf und schlage mein Zelt nicht auf dem Präsentierteller auf.

»Ich hätte mich am liebsten hingesetzt und nur noch geheult.«

Der einsame, edle Mensch in weitgehend unberührter Natur. Geschichten von Weitwanderungen haben oft etwas Romantisierendes. Trifft das die Realität?

Das Schöne, das Positive überwiegt für mich, ganz klar. Aber natürlich ist nicht jeder Tag und jeder Monat auf dem Trail nur Sonnenschein. Stürme, Kälte, nasse Klamotten – auch das gehört dazu. Auch ausweglose Situationen.

Mal hatte ich bei einer Flussdurchquerung mein Handy verloren. Ich hätte mich am liebsten hingesetzt und nur noch geheult. Aber das bringt nix. Am Ende gibt es immer einen Ausweg. Das macht Mut, gibt Selbstvertrauen.

Raus aus der Mühle des Alltags, rein in die Natur: Für Anke Müller sind ihre Wander-Abenteuer ein Glückskatalysator.

»So gesehen sind meine Fernwanderungen Luxusreisen.«

Einfach leben: Alles, was Anke Müller für ihre XXL-Trekkingtouren braucht, passt in ihren Rucksack. Auch das Dach überm Kopf – ihr Zelt.

Deinen eigenen Rhythmus zu leben ist Dir auf den extrem langen Trekkingtouren wichtig. Welche Bedeutung hat Zeit dabei für Dich?

Zeit zu haben ist längst ein Luxus. So gesehen sind meine Fernwanderungen Luxusreisen. Bisweilen versinke ich in eine Art Meditation. Ich laufe vor mich hin, starte in einer steppenartigen Landschaft und finde mich irgendwann plötzlich inmitten von Nadelbäumen wieder. Ich wache quasi in einer anderen Zeit wieder auf, an einem anderen Ort.

Sehen so Deine Glücksmomente aus?

Ach, Glück! Meist sind es auf den Weitwanderungen kleine Dinge. Eine schöne Blume. Ein Sonnenaufgang. Ein Apfel, der mir auf dem Weg vor die Füße fällt.

Klingt sehr bescheiden.

Die Prioritäten ändern sich. Ich war schon immer minimalistisch. Mit der Zeit bin ich sicher noch radikaler geworden. Gerade bei der Ausrüstung. Mir reicht die Hose, die ich auf der Haut trage. Sonst habe ich nur noch eine Regenhose im Rucksack.

Aber auch Minimalismus hat seine Grenzen. Ich bohre keine Löcher in den Stil meiner Zahnbürste, um ein paar Gramm zu sparen. Und ich verwende auch nicht meine Socken als Handschuhe. Manche tun so etwas tatsächlich. Zu meinem Rucksack habe ich auf den Fernwanderungen eine fast persönliche Beziehung entwickelt. Ich habe ihn Harald getauft. Wenn daran was kaputt geht, tut mir das beinahe selbst weh.

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Was ist bei Deinen Wander-Abenteuern sonst noch Luxus für Dich?

Frisch gewaschene Wäsche, warmes Essen, ein Kocher …

Ein Kocher? Ist der nicht Standard?

Ich war lange Zeit ohne Kocher unterwegs. Das spart Zeit und Gewicht, Gaskartuschen oder Spritflaschen. Mittlerweile habe ich aber meist einen Kocher dabei.

Wie hast Du Dich da ernährt?

Nüsse und Müsli. Schokolade. Und Kartoffelpüree – das Pulver kann man auch mit kaltem Wasser anrühren. Schmeckt halt nicht, aber geht. Genauso Couscous und diese Drei-Minuten-Nudeln aus der Packung. Aber zuletzt in Schweden und Norwegen war ich sehr froh um etwas Warmes.

»400 Gramm Erdnüsse zum Nachtisch – und trotzdem nehme ich auf Weitwanderungen ab.«

Lust, Anke Müller auf ihrer aktuellen Tour von Deutschland in den Himalaya zu begleiten? In ihrem Blog und auf Instagram postet sie regelmäßig aktuelle Impressionen und gibt Tipps. Ihre Packliste verrät, mit wie wenig man bei solchen Wander-Abenteuern auskommen kann.

Da fehlt Dir nichts?

Naja, schon. Obst und Gemüse. Aber das ist in größeren Mengen im Rucksack zu schwer. Normalerweise kaufe ich zwei, drei Möhren und zwei, drei Äpfel. Das muss dann als Ration für etwa zehn Tage reichen. Überhaupt richtet sich meine Logistik bei Fernwanderungen sehr stark danach, wo der nächste Ort ist, an dem ich Verpflegung bunkern kann. Wenn es auf einer Teilstrecke 14 Tage lang keinen Laden gibt, muss ich schon gut kalkulieren mit den Rationen, denn sonst wird es einfach zu schwer. Pro Tag macht das rund 600 Gramm. Aber das ist bei 50 Kilometern am Tag zu wenig.

Hungerattacken sind da nicht ausgeschlossen. Es kann vorkommen, dass ich meine Vorräte plündere und 400 Gramm Erdnüsse zum Nachtisch am Abend verputze. Trotzdem nehme ich im Schnitt bei jeder Weitwanderung etwa fünf Kilo ab.

Wie machen sich die vielen langen Etappen sonst bemerkbar?

Nach einer Weile passen die Schuhe nicht mehr. Die langen Etappen einer Weitwanderung lassen die Füße anschwellen. Das kann bis zu zwei, drei Schuhgrößen ausmachen.

Wieder auf Wanderschaft. Ihr aktuelles Abenteuer ist für Anke Müller weit mehr als nur eine Trekkingtour. Im Rahmen eines mehrjährigen Projekts wandert sie von Deutschland bis in den Himalaya.

Natur pur – eine Weitwanderung ist wilder und intensiver

Welche Fußabdrücke hinterlassen die Weitwanderungen bei Dir im Kopf? Ist das Naturerlebnis ein anderes als auf kürzeren Trekking Touren?

Es macht schon einen Unterschied, ob du nur ein paar Stunden oder mehrere Tage von der Zivilisation entfernt unterwegs bist – und das immer wieder, über Monate hinweg. Alles ist wilder, abgeschiedener, intensiver. Das ist nicht unbedingt nur ein Hochgefühl. Es flößt mir Respekt ein. Ich merke, wie sehr ich von der Natur abhängig bin. Wenn ich drei Tage unterwegs bin und bin nass und verdreckt, ist das kein großes Ding. Ich weiß, ich kann bald wieder unter die warme Dusche. Wird auf einer so langen Tour der Schlafsack regelmäßig nass, kann das ganz schön zehren.

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