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›Made in Europe‹-Roadtrip – hier geht’s zu den Stationen:
–> Zu Besuch am bayerischen Stammsitz
–> Unsere größte Schuhfabrik in Kroatien
–> Ein Tag im HANWAG Werk in Ungarn
–> Traditionelles Schuhhandwerk in Schwaben
–> Die Schuh-Dynastie in Bosnien
HANWAG produziert ausschließlich in Europa. Aber was heißt das konkret? Und vor allem: Wer sind die Menschen, die mit ihrer Handarbeit und ihrem Know-how für die Qualität unserer Schuhe stehen?
In dieser Serie nehmen wir Dich mit auf einen Roadtrip zu fünf HANWAG Produktionsstätten in vier europäischen Ländern. Dabei kannst Du einiges über Schuhproduktion lernen. Und an jedem Ort lernst Du spannende Mitarbeiter:innen kennen. In Folge 4 sind wir bei Spezialisten in Schwaben: Sie fertigen unsere zwiegenähten Modelle.
Was für ein Ritt! Über Budapest, Wien und München sind wir auf unserem ›Made in Europe‹-Roadtrip ins tiefste Oberschwaben gefahren – nach Hohentengen, Ortsteil Ölkofen. »Ja, wir sind ein bisschen abgelegen«, scherzt Helga Reck, als sie uns vor der Schuhfabrik Reck & Sohn begrüßt. »Eine Stunde bis zur nächsten Autobahn – das muss man in Deutschland erst mal finden.«
Helga und Joachim Reck führen die von seinem Großvater gegründete Fabrik in dritter Generation. Sie ist einer der wenigen Betriebe, die noch die zwiegenähte Machart beherrschen. Alle zwiegenähten HANWAG Modelle werden hier montiert – also die Sohlen unter die Schäfte genäht und die Schuhe dann vervollständigt. (–> Mehr erfahren: unsere Macharten) In der engen Fabrikhalle bahnen wir uns einen Weg zwischen zig Regalen, die mit Schäften oder Schuhen beladen sind, hin zu den Maschinen.
Die älteste, eine Schleifmaschine, ist etwa so alt wie HANWAG: rund 100 Jahre. »Und die läuft auch in 100 Jahren noch«, ist sich Joachim Reck sicher. Die Beschaffung , von Ersatzteilen oder gar einer neuen Maschine ist für den Firmenchef zu einer der größten Herausforderungen geworden. »Maschinen für zwiegenähte Schuhe werden ja heute fast nicht mehr produziert. Wenn ich mitbekomme, dass irgendwo eine verkauft wird, mache ich mich gleich auf den Weg. Hinten in der Halle stehen ungefähr noch einmal so viele Maschinen – unser Ersatzteillager.« Monteure für die Maschinen findet er ebenfalls kaum mehr.
Der erste Schritt des Zwienähens ist das sogenannte Einstechen. Hier arbeitet der 23-jährige Vladut gerade ein Regal voller Schäfte ab, die mal ein HANWAG Bergler werden. Der Geruch von Leder und Schmierfett, diese mannshohe ratternde Maschine mit der dicken Nadel, der sichtlich angestrengte Vlad – es wirkt fast archaisch.
Für jede Einstechnaht benötigt Vladut eine gute Minute. Und das ist nur einer von rund 150 Arbeitsschritten, die in so einem zwiegenähten Schuh stecken. Neben dem hochwertigen Leder und anderen Top-Materialien. Spätestens jetzt wird uns klar, warum zwiegenähte Wanderschuhe etwas mehr kosten.
»Und so ein Schuh, der hält«, ergänzt Joachim Reck, als wir die Werkstatt verlassen. »Heute sprechen alle von Nachhaltigkeit. Wir fertigen ein langlebiges Produkt aus großteils natürlichen Materialien. Und wenn das Profil unten ist, kannst Du ihn wiederbesohlen lassen. Nachhaltiger können Schuhe doch kaum sein.« Übrigens haben die Recks auch eine Solaranlage auf dem Dach. Sie deckt die Hälfte des Strombedarfs ab.
Rund 22 Angestellte halten bei der Firma Reck ein altes Schuhmacher-Handwerk am Leben. Und junge Menschen wie Vladut machen Hoffnung, dass es eine Zukunft hat.
Mit ohrenbetäubendem Rattern sticht die Maschine immer wieder zu, während Vladut den Schuhschaft langsam und gleichmäßig an der Nadel vorbeiführt. Der 23-Jährige erledigt bei Reck den ersten Teil des Zwienähens: die Einstichnaht.
2018 ist ›Vladi‹, wie ihn hier alle nennen, aus Rumänien gekommen. »Meine Cousine hat hier gearbeitet und gesagt, es gibt gute Arbeit und eine Wohnung in Deutschland«, erzählt er. Ein Knochenjob? Vladi winkt ab. »Für mich nicht so schwierig und anstrengend. Ich bin jung, schon okay.« Aber natürlich muss er achtgeben. »Ich muss auf die Hände aufpassen. Und die Naht muss ganz gleichmäßig sein. Wenn eine Naht daneben geht, ist der Schuh kaputt.« Mehrere Dutzend Paar näht Vladi pro Acht-Stunden-Schicht.
Schon sein Vater war Schuhmacher. »Aber nur Pantoffeln. Ich mache richtige Schuhe. Deutsche Qualität. Nix China«, sagt Vladi und lacht schelmisch. Demnächst soll auch sein Bruder bei Reck anfangen. »Ich bin froh hier und stolz auf meine Arbeit. Und mein Vater ist auch stolz.«
»Ich muss alles korrekt machen. Kraft ist auch wichtig. Ich muss viel essen.« (lacht)
»Qualität, gute Schuhe. Und Geld für mich und meine Familie.«
»Dass sie noch viele, viele Schuhe produzieren und verkaufen.«
Wenn zwiegenähte Schuhe ihre Sohle bekommen haben, müssen die Überstände abgefräst werden. »An die Fräsmaschine dürfen nur der Chef und ich«, betont Siegfried. »Da muss man schon höllisch aufpassen, dass nicht der Finger wegfliegt. Der machin hat da mal einen Finger reinbekommen …«
Siegfried kennt den Seniorchef, also den Vater von Joachim Reck, noch gut. Bei ihm hat er 1978 das Schuhmacher-Handwerk gelernt. Anschließend hat Siegfried 21 Jahre in anderen Branchen gearbeitet, von Kunstoffbau über Möbelbau bis hin zu einer Gießerei. »2011 bin ich dann zum Juniorchef zurückgewechselt«, erzählt er. Und obwohl er heute mit 64 Jahren eigentlich schon Rentner ist, arbeitet er auf 450-Euro-Basis noch mit.
Weil die Schuhfabrik kaum Nachwuchs findet, hatte ihn der Chef darum gebeten, stundenweise weiterzuarbeiten. »Das ist doch selbstverständlich«, sagt Siegfried. »Der Chef war ja auch kulant, als ich mal mehr freie Zeit für familiäre Angelegenheiten gebraucht habe.«
Wenn Vladis Bruder bei Reck anfängt, soll er Siegfried beim Schleifen entlasten. »Ich bin glücklich, dass ich meine Erfahrung an einen jungen Menschen weitergeben kann.« Aber ob er ihn auch an die Fräsmaschine lässt? »Das müssen wir sehen.«
»Räumliches Sehen, wegen der Form des Schuhs. Beim Fräsen und Schleifen muss man den Abstand richtig einschätzen, wie stark man an die Maschine ran geht.«
»Auf jeden Fall für Qualität. Das spürt man ja schon am Leder. Das ist ein ganz anderes Material als bei Billigschuhen.«
»Dass die Menschen auch künftig bereit sind, für solche hochwertigen Schuhe einen angemessenen Preis zu zahlen. Das ist ja hier alles Handarbeit.«
Lydia wohnt seit ihrer Jugend in Ölkofen – und hat hier seit 1982 auch ihre berufliche Heimat. »Damals haben beim Reck an die 30 Leute g’schafft«, sagt sie in schönstem Schwäbisch. »Meine Kinder gingen noch zur Schule. Da hab ich in der Zeitung die Annonce gesehen, dass der Reck jemanden sucht. Dann hat der Seniorchef gefragt, Sohle durchlassen und ein bisschen einstreichen, ob ich das könnte. Habe ich gesagt: ›Ja, das kann ich.‹«
In den folgenden Jahrzehnten hat Lydia viele Station der Schuhproduktion durchlaufen. Vom Kleben übers Nieten bis hin zum Klammernziehen. Ihre breite Erfahrung macht sie zur Idealbesetzung für die Endkontrolle. Darüber hinaus erledigt Lydia das Verpacken und hilft aus, wo immer es brennt.
»Mir ist bewusst, dass ich die letzte Instanz für die Qualität unserer Schuhe bin« sagt die zweifache Mutter und Oma von vier Enkelkindern. »Das Gefühl ist schon ein anderes, als wenn wir so Billigschuhe mit Kartonbrandsohle machen würden.« Obwohl Lydia mit 68 bereits in Rente ist, arbeitet auch sie auf 450-Euro-Basis weiter. Und wie bei Siegfried, ist es auch ihre Art Danke zu sagen für das jahrelange Entgegenkommen der Chefs: »So revanchiere ich mich gerne.«
Einer ihrer Enkel sei handwerklich sehr begabt, erzählt Lydia noch, und fasziniert von der Schuhfabrik. Vielleicht, vielleicht tritt er ja mal in ihre großen Fußstapfen.
»Gewissenhaftigkeit, genau arbeiten. Und für die Firma da sein. Das ist auch wichtig.«
»Für Qualität und hochwertige Schuhe.«
»Dass es mit HANWAG immer weitergeht – und immer aufwärts.«
Mehr erfahren: ›Made in Europe‹ – die Hintergründe zum HANWAG Versprechen
Was Rolf mit seinen Maschinen gemeinsam hat? Sie verrichten seit Jahrzehnten zuverlässig ihren Dienst. Der gelernte Schuhfertiger arbeitet seit 1985 bei der schwäbischen Schuhfabrik Reck & Sohn, ist damit der dienstälteste Mitarbeiter. Und seine Zwickmaschine ist wie er selbst ein Unikat. Denn davon gibt es auf der ganzen Welt nur diese eine.
»Never change a running system« – diese weitverbreitete IT-Empfehlung entspricht Rolfs Philosophie über den Umgang mit der Mechanik. »Man darf keine Veränderungen an den Maschinen machen. Denn je mehr man verändert, desto ungenauer schafft sie vielleicht nachher. Wenn sie einmal genau eingestellt sind, dann passt auch alles.«
Rolf erledigt bei Reck verschiedene Aufgaben, auch für die zwiegenähten HANWAG Modelle. Er liebt gutes Schuhwerk und freut sich, dass HANWAG die Tradition des Zwienähens hochhält: »Ein zwiegenähter Schuh ist besonders formstabil und langlebig. Außerdem kann man ihn wiederbesohlen. Die Investition in so einen guten Schuh macht sich über viele Jahre hinweg bezahlt.«
Höchste Ansprüche stellt er trotz aller Routine auch an sich selbst: »Ich frage mich bei jedem Schuh, den ich produziere, ob ich den kaufen würde, so wie er gemacht ist. Das ist mein Qualitätsstandard.«
»Erfahrung. Wenn man die richtigen Handgriffe kennt, ist die Arbeit auch gar nicht so anstrengend.«
»Qualität. Um das geht’s.«
Was wünscht Du HANWAG für die nächsten 100 Jahre?
Der ›Made in Europe‹-Roadtrip geht weiter: Zur Schuh-Dynastie in Bosnien