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»Immer geradeaus in Richtung Süden. Verlaufen ist unmöglich: Links ist das Festland, rechts das Meer.« Ein Zeigefinger bringt unsere Augen auf den richtigen Kurs. Mehr als diese banale Wegbeschreibung benötigen wir laut Balthasar Trüb, dem Hausherren des Três Marias Gästehauses nicht, um unser Ziel zu erreichen.
Es ist früh am Morgen, wir stehen am Marktplatz des kleinen Dorfes Porto Covo. Nur ein paar Meter von hier beginnt unser Wander-Abenteuer: wir gehen knapp 100 Kilometer des insgesamt 226 Kilometer langen Fischerwegs in Portugal.
In diesem Artikel teilen wir unsere Fischerweg-Erfahrungen mit Dir und geben Tipps für Deine Tourenplanung.
Bevor er uns entlässt, erklärt er noch genau, was uns auf der ersten Etappe erwartet. Als Mitinitiator der Rota Vicentina Portugal, einem 740 Kilometer langen Wanderwegenetz, ist dem Portugiesen mit Schweizer Wurzeln sehr daran gelegen, seinen Gästen die gesamte landschaftliche und kulturelle Vielfalt des Alentejos, einer wenig erschlossenen und rauen Region 170 Kilometer südlich von Lissabon, nahezubringen. »Der Fischerpfad ist nur ein kleiner Teil der hiesigen Wandermöglichkeiten. Es gibt einiges zu entdecken.«
Darum sind wir hier! Nach monatelangem Sonnenentzug und grauen Tagen in der Heimat, erhoffen wir beim Wandern in Portugal eine Landschaft zu finden, die unsere Glückshormon-Produktion ordentlich ankurbelt. Wir stehen über den steilen Klippen des Atlantiks, schultern die Rucksäcke und klettern Meter um Meter hinunter zu unserem Startpunkt – einem menschenleeren, weißen Sandstrand. Schon der erste Blick auf das, was uns »bevorsteht«, spült eine Ladung Endorphine in unsere Blutbahnen.
Eine Brise vom Atlantik pustet uns in Richtung Süden. Immer am rauschenden Meer entlang, den kleine Wegen in den Dünen folgend, so kamen und kommen die Einwohner zum Angeln an die Küste und verpassten den kleinen Trails damit den Namen »Fishermanstrail«. Autos und Straßen? Fehlanzeige! Mit einer Fläche von etwa 75.000 Hektar und 110 Kilometer Küstenlinie ist das Naturschutzgebiet Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina ein wilde Perle. Zwischen Dünen, Klippen und verschilftem Hinterland tummeln sich seltene Amphibien, Vögel und Meerestiere, die es für Naturbeobachter und Wanderer zu entdecken gibt.
Mit 20 Kilometern ist die erste Etappe von Porto Covo nach Vila Nova Milfontes zwar nicht die längste, jedoch merken wir bereits nach einigen Kilometern, was Gehen in Sand bedeutet. Schnell sind die Zweifel, ob hohe Trekkingstiefel aus robustem Leder für so einen flachen Weg nicht übertrieben sind, ausgeräumt. Der hohe Schaft verhindert, dass Sand in die Schuhe gelangt. Tief versinken wir im Weg, der durch die meterhohen Dünen führt. Zum Glück lenken uns genau diese Dünen aber auch davon ab, die ganze Zeit an die Anstrengung zu denken. Denn hinter jeder sandigen Erhebung erwartet uns eine neue, faszinierende Bucht.
Auf dem Fischerpfad bewegt man sich in weiten Teilen durch sandiges Terrain. Deshalb empfiehlt sich ein halbhoher Trekkingschuh mit festem Obermaterial, z.B. der HANWAG Tatra Light GTX. Dank des höheren Rands gelangt der Sand nicht so leicht ins Innere des Schuhs wie mit flachen Wander- oder Laufschuhen.
»Ich musste den Portugiesen erklären, warum Zentraleuropäer wandern. Und dass sie das gerne tun.« Wir erinnern uns an Balthasars Worte, wie er, der Schweizer mit portugiesischen Wurzeln, vor 20 Jahren in diese Gegend kam. Und den Einheimischen das touristische Potential von »Wandern in Portugal« nahe brachte. »Früher gingen hier bloß arme Menschen. Viele Städter aus Zentraleuropa bewegen sich nur zwischen Bett, U-Bahn und Büro-Schreibtisch. Die wollen im Urlaub die Natur aktiv erkunden.«
Wie recht er doch hat: Auf den letzten Metern vor dem Ziel, einer kleinen Finca im Hinterland von Vila Nova Milfontes, macht sich unsere zentraleuropäische Schreibtisch-Muskulatur bemerkbar. Besser gesagt: die mangelnde Muskulatur. Dankbar lassen wir uns nach einer schnellen Dusche auf den Stühlen in Küche der Finca Monte do Zambujeiro nieder, in der uns an diesem Abend Gastgeberin Monica mit leckerem Energienachschub versorgt: Bacalhau. Der getrocknete Kabeljau, den portugiesische Händler seit Jahrhunderten aus Neufundland und Norwegen beziehen, ist das deftige Nationalgericht Portugals. Mit vollem Magen und müde schlendern wir zurück zu unserem kleinen Ferienhaus. Ein frischer Wind weht über das 70 Hektar große Grundstück und erinnert uns daran, dass es auch in Portugal eigentlich noch Winter ist. Wie Steine fallen wir in unsere Betten: Strandurlaub kann ganz schön anstrengend sein.
Früh morgens: Die Landschaft erwacht und die Intensität der Farben und Düfte legt sich in einem leichten Nebel über das Fluss-Delta des Mira, einem Strom, der sich 175 Kilometer vom Landesinneren bis ans Meer erstreckt. Schon wieder hatte Balthasar recht: Auch abseits des Ozeans, auf den Hinterland-Wegen der Rota Vicentina Portugal, warten zahlreiche Natur-Schätze darauf, entdeckt zu werden.
Unsere Rucksäcke sind schnell gepackt, die Anti-Sand-Stiefel geschnürt. Der Weg zurück an die Küste führt durch Korkplantagen. »Die Rinde der Bäume wird etwa alle zehn Jahre geerntet. Dann markieren wir sie mit einer Ziffer, um zu wissen, wann sie das letzte Mal dran war.« Wie der Anbau der Korkeichen funktioniert, das hatte uns Monica beim Abendessen erklärt. Nun stapfen wir interessiert durch die urigen Bäume und streichen ihnen ehrfürchtig über ihre »raue Frucht«. Auch an der Küste kennt die Natur heute kein Halten: Wilde Blumen, Kräuter und Schilfe schießen um uns in die Höhe oder kämpfen mit saftigen Farben um die Aufmerksamkeit unserer Augen. Der feine Duft von Thymian und salziger Luft begleitet uns über die nächsten Kilometer auf dem Fischerpfad Portugal.
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Im Gegensatz zu anderen Küstenregionen an der iberischen Halbinsel sucht man große Hotels und Ferienanlagen hier vergebens. Zu schroff, zu karg ist die Landschaft hier. Mit nur 15 Kilometern ist die zweite Etappe moderat und gibt uns Zeit, die Landschaft noch gründlicher zu genießen. Das ist auch gut, denn Klippen, Strände, Buchten, Dünen wechseln sich ab – immer ähnlich und trotzdem anders. Langeweile? Die kehrt auch nach fünf Stunden Wanderung auf dem Fischerweg Portugal nicht ein. Eher ein leichter Sonnenstich, denn die Temperaturen liegen an diesem »Wintertag« mit Sicherheit um die 27 Grad. In der Ferne ist das Ziel für heute auszumachen: Almograve. Ein kleiner Ort, der erst im Sommer zur touristischen Höchstform aufläuft. Anfang März befindet sich das Dorf noch im Winterschlaf.
Prüfender Blick, noch kurz den roten Schnabel in die Luft, um die Windsituation auszuloten. So ein riskanter Start muss adäquat vorbereitet sein. Vor allem, wenn der Flugplatz keine Start- oder Landebahn hat, sondern 15 Meter freier Fall vor dem Piloten liegen. Und los! Mit Schwung springt er aus dem Nest, fällt in die Tiefe. Kurz über der Meeresoberfläche breitet er die schwarz-weißen Flügel aus und gleitet über die tosende Gischt. Ein beeindruckender Flieger, der Weißstorch. Staunend betrachten wir die außergewöhnlichen Nistplätze der Störche auf kantigen Felsvorsprüngen. Dass sie die tosende Brandung nicht stört? Vielleicht fühlen sie sich durch die farbenprächtige Klippen-Landschaft auch angezogen.
Heute führt uns der Fishermans Trail hauptsächlich über Klippen: Höhenangst sollte man hier nicht haben, das steht fest. Einige Wegstellen sind mit kleinen Umleitungen versehen: Der ursprüngliche Fischerweg ist über die Jahre erodiert und in den Tiefen der Buchten verschwunden. Geschafft – in zweierlei Hinsicht. Nach 22 km endet die Etappe in Zambujera do Mar. Und wir – mal wieder – sehr schnell in unseren Betten. Müde und vollgepumpt mit Endorphinen.
Am letzten Morgen ist alles anders: Schwerer Nebel liegt über der Küste, ein paar Regentropfen landen im Gesicht. Nach drei Tagen praller Sonne ist das Tragen einer Regenjacke eine willkommene Abwechslung. Statt ausufernder Blumen-Farbpaletten haben sich Land und Meer am Fischerpfad heute einen mythisch wirkenden Schleier umgelegt. So wirkt das Klatschen der Wellen auf die dunklen Felsen noch imposanter, noch gewaltiger und scheint zu rufen: Hier hat die Natur das Sagen!
Das wird uns auch auf den letzten Wander-Kilometern noch einmal klar: Wie fast alle Ortschaften liegt auch Odeceixe, unser Zielpunkt, nicht direkt an den Klippen, sondern ein paar Kilometer versetzt im Landesinneren. Direkt am Atlantik wären Mensch, Häuser und Boote zu sehr dem Wetter und Wellen ausgesetzt. An der Mündung des Ribera de Seixe biegen wir ab. Aber nicht, ohne noch einen letzten sehnsüchtigen Blick auf das weite Meer zu werfen. Die Trennung fällt schwer. Es wird ruhig: keine brechenden Wellen, keine Steine, die unter der Last des Wasser knistern und knacken. Nur ein rauschender Kopf voll mit Eindrücken dieser sagenhaft schönen Landschaft, die nicht vielfältiger und spannender hätte sein können.
Wanderwege: Die Rota Vicentina Portugal ist ein Weitwanderweg-Netz im Südwesten des Landes. Gegenwärtig umfasst es insgesamt 740 Kilometer und besteht aus dem »Historischen Weg« und dem »Fischerpfad«. Der »Fischerpfad« verläuft fast ausschließlich unmittelbar entlang der wilden Küste über 13 Tagesetappen und durch die Regionen Alentejo und Algarve. Startpunkt ist der Ort Porto Covo. Die Standard-Strecke, die in 4-5 Tagesetappen zu schaffen ist, endet in Odeceixe. Wer mehr Zeit mitbringt, kann jedoch weiter durch die Region Algarve wandern und endet in Cabo der San Vincente. Obwohl der Fischerpfad nicht durch technisch anspruchsvolles Gelände führt, sollte man die Schwierigkeit nicht unterschätzen. Es braucht Ausdauer und Kraft in den Beinen, um die Länge der Etappen bzw. die vielen sandigen Passagen zu meistern.
Beste Reisezeit: Milde Winter, heiße Sommer – die idealen Wandermonate auf der Rota Vicentina Portugal und für das Wandern in der Algarve und dem Alentejo sind September bis Juni. Es herrscht das ganze Jahr mild mediterranes Klima, bedingt durch den starken Einfluss des Atlantik. Tipp: Möglichst früh starten, um nicht in die Mittagshitze zu kommen – auf dem ganzen Weg gibt es so gut wie keinen Schatten. Und auch nur wenige Möglichkeiten, Wasser zu kaufen oder aufzufüllen.
Unterkünfte: Jeder Ort entlang des Fischerpfads ist mit einem Campingplatz und kleinen Hotels ausgestattet. Manchmal lohnt es sich jedoch, ein paar Kilometer weiter ins Hinterland zu wandern, für besonders naturnahe Gästehäuser. Im Naturpark selbst ist Zelten nicht erlaubt. Die meisten Gasthäuser und Hotels organisieren einen Gepäcktransport bis zum nächsten Streckenposten. Mehr Infos dazu findet Ihr hier.