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Eine Woche in der norwegischen Wildnis von Jotunheimen wird zu einem besonderen Erlebnis, wenn man sich auf seine Fantasie einlässt. Dann entdeckt man in der ›Heimat der Riesen‹ eine verlorene Welt der Kindheit.

Die gebirgige Wildnis Jotunheimens ist größer als Berlin – und eines der eindrucksvollsten Gebiete zum Wandern in Norwegen.

In der Heimat der Riesen ist der Mensch ein Wicht. Das fällt uns jedes Mal auf, wenn wir andere Wanderer in der Ferne entdecken: winzige Punkte in einer weiten Landschaft aus schneebedeckten Bergen, stillen Seen und baumlosen Tälern – eine majestätische Natur, so urgewaltig, als wäre sie tatsächlich von mächtigen Fabelwesen geformt worden.

Wie erklärt sich der glatte Riss, der mitten durch den Felsbrocken geht? Das kann nur das Werk einer massigen Axt gewesen sein, geschwungen von riesigen Händen, möglicherweise im Wutanfall. Riesenhafte Kreaturen müssen auch die Geröllfelder geschaffen haben, bei einem Murmelspiel. Und klingt der brausende Wind nicht wie ein fauchender Naturgeist, der geheimnisvolle Kräfte beschwört?

Wir wissen nicht, ob dem norwegischen Dichter Aasmund Olavsson Vinje ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen, als er 1862 diese Wildnis durchstreifte. Auf ihn geht der Name Jotunheimen zurück: ›Heimat der Riesen‹. Inspiriert wurde er von der nordischen Mythologie, in der die Jötnar als Nachfahren des Urriesen Ymir das älteste Göttergeschlecht bilden. Riesen sollen sie gewesen sein, aber da gehen die Vorstellungen auseinander.

Auf unserer einwöchigen Tour durch Jotunheimen verstehen wir, wie der Dichter zu dem Namen kam. Gewaltig sind diese Berge, wie von Riesen gemacht. Wir lassen die Augen wandern, aber auch unsere Fantasie, eine Fähigkeit, die im Laufe des Lebens verkümmert – ein Verlust.

Fühlen sich in der Heimat der Riesen wieder wie Kinder: unser Autor Philipp (r.) und sein Kumpel Jan.

Reise in die Kindheit

Als Kind ist man jeden Tag in fantastische Welten eingetaucht. Dafür brauchte es nicht viel. Aus einer aufgetürmten Bettdecke konnte ein Gebirge werden, in dem sich Spielfiguren bekriegten. Wenn kein Spielzeug zur Hand war, reichten Gummibärchen. Später waren es Bücher und Filme, die uns in den Bann zogen, epische Erzählungen in mythischen Welten, von Helden und Schurken, Gut gegen Böse: Harry Potter, die Chroniken von Narnia, Star Wars, Herr der Ringe. Man stellte sich vor, wie spannend es wäre, wenn die sagenhaften Reiche und Figuren wirklich existieren würden. Bis sich die Prioritäten verschoben.

Unsere Trekkingtour durch Jotunheimen

Von Gjendebu nach Gjendesheim: Die Route der sechstägigen Trekkingtour von Philipp und Jan durch den Jotunheimen Nationalpark in Norwegen.

Alle Infos, Daten und Tipps zur Tour findest Du in unserem Trekking-Guide Jotunheimen.

In der Pubertät wurde plötzlich die sehr reale Lebenswelt höchst interessant: die Dynamik im Freundeskreis, das Mädchen oder der Junge aus der Nachbarklasse. Als verantwortungsvolle Erwachsene haben wir endgültig keine Kapazitäten mehr, um uns der Fantasie hinzugeben. Job und Alltag laufen rational und wie auf Autopilot, immer die nächste Deadline im Nacken.

Unwirtliche Natur

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Als wir in Jotunheimen ankommen, ist damit Schluss. Zumindest für die nächsten Tage. Mit der Fähre geht es über den Gjende-See nach Gjendebu und von dort ins Gebirge, raus aus der Zivilisation. Was wir brauchen, tragen wir auf dem Rücken: Zelt, Schlafsack, Proviant. Kilometerweit, stundenlang. Wir müssen durch Matsch waten, Wildbäche überqueren, Pässe und Bergkämme ersteigen. Bei Kälte und Wind, Regen und Schnee, wohin der Weg uns auch führt.

Allein dieser Modus verbindet uns mit den Helden aus den Geschichten der Kindheit. Auch sie waren in rauer Natur unterwegs, wo Hindernisse und Gefahren lauerten. In unserer Welt mag es hochwertige Funktionsausrüstung geben und dafür keine Trolle, die einen verspeisen möchten (ein beruhigender Umstand) – trotzdem kann man sich in der Bergwelt Jotunheimens ein bisschen wie Frodo Beutlin und Samweis Gamdschie fühlen, die halb Mittelerde durchqueren müssen, um den Ring im Schicksalsberg zu versenken. Unsere Tour wird zum Abenteuer im Kopf, das kindliche Freude macht, auch im Nieselregen.

»Das leicht gruselige Setting der Landschaft passt besser zum Spiel der Fantasie als strahlender Sonnenschein.«

Schlechtwetter ist sogar zu begrüßen. Nebelschwaden und tief hängende Wolken über eiskalten Gewässern, dieses leicht gruselige Setting der Landschaft passt besser zum Spiel der Fantasie als strahlender Sonnenschein. Das Ganze wird aufregender, wenn sich das Wetter feindselig zeigt – wie am Galdhøpiggen.

Wir wollen Norwegens höchsten Berg ohne schweres Gepäck besteigen und haben die Zelte neben der komfortabel ausgestatteten Spiterstulen-Hütte aufgebaut. So können wir die meiste Ausrüstung im Tal lassen. Die topmoderne Stube wirkt der Einbildung entgegen, in einem sagenumwobenen Reich wie Mittelerde unterwegs zu sein. Aber das lassen wir an diesem Abend durchgehen.

Am Morgen schlagen wir den Pfad ein, der über den Ostgrat auf den Galdhøpiggen führt. Mystisches Licht liegt über dem Visdalen hinter uns. Doch bald ist es mit der Aussicht vorbei, wir laufen in Wolken. Die Vegetation zieht sich zurück. Allein die roten Markierungen auf den Steinen geben den richtigen Weg vor. Und dann beginnt es zu schneien, erst ganz leicht, sehr bald immer kräftiger.

Nahaufnahme eines Trekkingschuhs Hanwag Makra Trek GTX beim Wandern in Norwegen

Unser Schuh für ein Jotunheimen-Trekking: HANWAG Makra Trek GTX

Auf seiner Jotunheimen-Tour trug Philipp den Leicht-Trekkingstiefel HANWAG Makra Trek GTX. Philipps Fazit nach den sechs Tagen in anspruchsvollem Gelände: »Obwohl ich den Schuh vor unserer Tour nicht eingelaufen hatte, hatte ich keine einzige Blase. So muss es sein.« Entdecke den HANWAG Makra Trek GTX in unserem Webshop.

Zum Webshop

Weil die Sicht so gering ist, sehen wir nie den weiteren Verlauf der Route, können nicht abschätzen, wo am Berg wir uns mittlerweile befinden. Es ist ein Stochern im Nebel, in der Hoffnung, dass das nächste Wanderzeichen auftaucht. Rechts von uns fällt Grat ins graue Nirgendwo ab. Wir steigen über Blöcke, brauchen jetzt manchmal die Hände. Der Wind dreht auf, es schneit heftiger. Der Berg will uns zur Umkehr zwingen. Wir fühlen uns wie Hobbits auf gefährlicher Mission. Ich muss an den Zauberer Saruman im ›Herr der Ringe‹ denken, der den Berg Caradhras zum Einsturz bringen will, um die Gemeinschaft des Ringträgers aufzuhalten. Wir fühlen uns hier oben mutterseelenallein.

»Es fühlt sich an, als wären wir durch ein unsichtbares Portal gelaufen, das unsere Welt mit einer anderen Welt verbindet.«

Als wir das letzte große Schneefeld vor dem Gipfel erreichen, flauen die Böen ab. Der winterliche Berg wird plötzlich ganz still, fast friedlich. Es fühlt sich an, als wären wir durch ein unsichtbares Portal gelaufen, das unsere Welt mit einer anderen Welt verbindet, wie in den Chroniken von Narnia. Eine Vorstellung, die mir hier oben am Berg ganz reizvoll erscheint. Was erwartet uns?

Wir stapfen durch den Schnee – und erblicken im Nebel eine kleine Hütte aus Stein. Sie steht mitten auf dem Gipfel des Galdhøpiggen. Wohnt dort eine böse Hexe? Oder sind es freundliche Zwerge, die uns mit prasselndem Kaminfeuer willkommen heißen? Nichts dergleichen. In der Stube werden wir von einer jungen Frau begrüßt, die als Bergführerin für den Nationalpark arbeitet. Sie steht hinter dem Tresen eines Kiosks und bewirtet die Gäste. Mein Film im Kopf ist vorbei, und wir werden wieder zu dem, was wir eigentlich sind: Touristen.

Dämonen in der Dunkelheit

Erwachsene Männer wären gerne wieder Kinder und bilden sich ein, durch eine Fantasy-Welt zu stiefeln – das kann man albern finden. Und wie real fühlt sich dieses Hirngespinst schon an? Das hängt davon ab, ob man der Fantasie erlaubt, sich zu entfalten. Manchmal tut sie das sogar ohne Erlaubnis.

Als Kinder kennen wir die reine Furcht. Wir haben Angst vor dem Monster unter dem Bett oder dem dunklen Keller – obwohl da nichts ist, was uns bedroht. Die Fantasie spielt uns einen Streich. Was wir uns ausmalen, fühlt sich derart real an, dass wir nicht schlafen können oder panisch die Treppen hinaufrennen.

In Jotunheimen schlagen wir die Zelte eines Abends in einem einsamen Hochtal auf. Kein Mensch ist hier oben, wir sind vollkommen allein. Nachts wache ich auf, weil der Wind heftig am Zelt reißt. Wenn man lange genug lauscht, hört es sich an, als wären finstere Stimmen in der Luft, als würde etwas ums Zelt schleichen. Und plötzlich ist sie wieder da – diese Furcht, die man als Kind empfunden hat.

Kann es sein, dass gleich ein Monster – oder auch nur ein Bär – das Zelt zerfetzt, um mich zu holen? Äußerst unwahrscheinlich. Aber man darf seine Fantasie auch nicht durchdrehen lassen. Wenig hilfreich ist es, an Horrorfilme wie ›Blair Witch Project‹ zu denken. Oder – noch ungünstiger – an ›The Ritual‹, der in Skandinavien spielt. Darin sucht ein grauenvoller Jötunn eine Gruppe verlorener Wanderer in einem düsteren Wald in Schweden heim, um sie zu töten …

Diese Urangst, die den Körper erstarren lässt, wenn man sich in sie hineinsteigert, ist existenziell und keine ambivalente Sorge, der wir als Angestellter mit Bullshit-Job oder Reihenhaus-Mann in der Midlife-Crisis gegenüberstehen. Erst als der Wind etwas abflaut, schlafe ich wieder ein. Und der Spuk ist vorbei.

Regentropfen und Wanderkarte

Unsere Wanderung durch Jotunheimen geht zu Ende. Natürlich wissen wir, dass keine Riesen diese Landschaft geformt haben, sondern die Eiszeit. Aber es ist eine schöne Vorstellung, dass es doch anders gewesen sein könnte.

In unserer modernen Welt spüren wir selten so etwas wie Magie. Manche flüchten sich in Esoterik, um ihrer Existenz einen Sinn abzuringen. Andere versinken in Computerspielen, um sich dem Alltag zu entziehen. Ich glaube, die Sehnsucht nach einer mythischen Gegenwelt zu klinischen Büroetagen und dem Verkehrslärm der Städte ist mehr als verständlich – und eine Erklärung, warum die Outdoor-Bewegung so groß ist. Mir sagte mal ein Bushcrafter, er habe als Kind einfach gerne im Wald gespielt und als Erwachsener nicht damit aufgehört.

Ein Profi gibt Tipps: Bushcraft für Einsteiger

Am vorletzten Tag bauen wir die Zelte am Nachmittag gerade noch rechtzeitig auf. Es fängt an zu regnen und hört nicht mehr auf. Also liege ich auf meiner Isomatte, ohne Netzempfang. Wenn man durch die Natur läuft, ist es leicht, nicht aufs Handy zu gucken. Aber hier im Zelt wird sofort die Konditionierung geweckt: Ich habe nichts zu tun, also brauche ich Zerstreuung, sonst werde ich gereizt – der Fluch der ständigen Ablenkung. Es dauert, bis ich zur Ruhe komme.

»Ich beobachte die Regentropfen, die auf der Zeltplane nach unten laufen – wie Düsenjets, die sich ein Wettrennen liefern.«

Nach einer halben Stunde habe ich begriffen, dass es wirklich kein Internet gibt, kein Youtube, kein Instagram, kein Whatsapp. Also beobachte ich die Tropfen, die auf der Zeltplane nach unten laufen – wie Düsenjets, die sich ein Wettrennen liefern. Dann vertiefe ich mich in die Wanderkarte, erkunde Gebirgszüge und Täler, spiele Routen und Touren durch.

Als Kind habe ich mich stundenlang ohne Pause mit Karten beschäftigt. Hier in Jotunheimen, in meinem Zelt in der Wildnis, geschützt vor dem prasselnden Regen, bin ich noch einmal dieses Kind.

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