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  1. Jotunheimen-Wanderung: Wichtige Infos auf einen Blick
  2. Ausrüstungs-Tipps für ein Jotunheimen-Trekking
  3. Sechs Tage mit Zelt – unsere Jotunheimen-Wanderung
  4. Jotunheimen-Trekking Etappe 1: Von Gjendebu hinein ins Gebirge
  5. Etappe 2: Über Leirvassbu zur Spiterstulen-Hütte
  6. Etappe 3: Winter auf Norwegens höchstem Berg
  7. Etappe 4: Die Überschreitung des Glittertind
  8. Etappe 5: Ein Sprung ins kalte Wasser
  9. Etappe 6: Der berühmte Besseggen-Grat

Jotunheimen (übersetzt: ›Heimat der Riesen‹) ist der beliebteste Nationalpark Norwegens – und deshalb völlig überlaufen? Keineswegs. Wir stellen eine einwöchige Jotunheimen-Wanderung für Selbstversorger mit den wichtigsten Highlights vor.

Türkisfarbene Bergseen und schroffe Hochtäler, reißende Gebirgsbäche und weite Gletscher, Norwegens höchste Gipfel und die spektakulärste Gratüberschreitung Skandinaviens: Der Nationalpark Jotunheimen ist eines der Top-Reviere zum Wandern in Norwegen. Wie lassen sich die schönsten Spots der Region und die spektakulärsten Ausblicke verbinden?

Das war die Frage, die mein Kumpel Jan und ich uns vor unserem Outdoor-Trip gestellt haben. Schnell wurde klar: Wir müssen uns für eine von vielen Jotunheimen-Wanderrouten entscheiden.

In einer Woche schaffen wir entweder den östlichen Teil des Nationalparks mit dem bekannten Besseggen-Grat oder den westlichen Teil, der ans Utladalen grenzt, Norwegens tiefstes Tal mit dem 273 Meter hohen Vettisfossen-Wasserfall. Beides geht kaum, denn die gebirgige Wildnis Jotunheimens ist größer als Berlin. Und wir haben nun mal Menschenbeine, die keine Riesenschritte machen.

Wir entschließen uns für eine klassische Route durch den Osten von Jotunheimen, in das touristische Kerngebiet des Nationalparks. Dort liegen der Gjende-See mit Fährverkehr und die beiden höchsten Berge: Galdhøpiggen und Glittertind.

Im Jotunheimen Nationalpark muss man kein Riese sein, um große Sprünge zu machen. Er eignet sich ideal zum Wandern in Norwegen mit Zelt. Foto: Terje Rakke - VisitNorway.com

Jotunheimen-Wanderung: Wichtige Infos auf einen Blick

  • Anreise: Im Sommer fahren Expressbusse von Oslo nach Gjendesheim (und weiter bis nach Lom und Leirvassbu). Es empfiehlt sich, das Fährticket für die Überfahrt über den Gjende-See vorab online zu buchen.
  • Allemannsretten: Das Jedermannsrecht (auf Norwegisch Allemannsretten) erlaubt es jedem, frei in der Natur zu übernachten und dort sein Zelt aufzuschlagen, sofern diese nicht bewirtschaftet wird. Zum nächsten bewohnten Haus oder zu einer Hütte sollen dabei 150 Meter Abstand gehalten werden. In Jotunheimen sind es rund um die Hütten Spiterstulen und Glitterheim aber deutlich mehr. Lagerfeuer sind beim Wildcampen vom 15. April bis zum 15. September verboten. Dass man seinen Müll wieder mitnimmt, versteht sich eigentlich von selbst.
  • Wanderkarte: Die detaillierteste und beste Karte von Jotunheimen bietet der schwedische Verlag Calazo (Maßstab 1:50.000). Man bekommt sie unter anderem im Kiosk am Fährableger in Gjendesheim oder vorab im Online-Shop.

Ausrüstungs-Tipps für ein Jotunheimen-Trekking

  • Textbox öffnen, um die Packliste Jotunheimen zu sehen

    Diese Tipps beziehen sich auf eine ca. fünftägige Trekkingtour mit Zelt im Jotunheimen Nationalpark in der Sommersaison.

    Am Körper:

    Am Rücken:

    Für die Nacht:

    • Leichtes, aber stabiles Trekkingzelt wie das 2-Personen-Modell Fjällräven Abisko Dome 2. Ein Kuppelzelt lässt sich auf dem teils sehr felsigen Boden in Jotunheimen leichter aufstellen als ein Tunnelzelt. Reparaturset mit Flicken und Stangenelement nicht vergessen.
    • Evtl. zusätzlich extra stabile Heringe, solltest Du den Standard-Heringen Deines Zelts nicht trauen.
    • Leichte Trekking-Isomatte wie Frilufts Elphin Air AS.
    • Mittelwarmer bis warmer Trekkingschlafsack mit Kunstfaser-Isolierung. Ein Modell wie der Fjällräven Abisko Threes Seasons reicht für die meisten aus. Besonders kälteempfindliche Personen sollten einen Schlafsack mit Komfortbereich bis -5 Grad wählen.

    Zum Kochen:

    Da man das Gepäck selbst tragen muss, gilt die Devise: So wenig und leicht wie möglich, so viel und komfortabel wie nötig. Weitere Tipps findest Du in unserer Packliste für ein 5-Tages-Trekking.

Sechs Tage mit Zelt – unsere Jotunheimen-Wanderung

Wandern in Norwegen vom Feinsten: Der Nationalpark ist gut erschlossen und im Sommer keineswegs einsam. Trotzdem gelangt man immer wieder an wenig überlaufene Flecken, vor allem an regnerischen Tagen, die nicht selten sind. Das gilt erst recht, wenn man ein Zelt dabei hat und die zahlreichen Hütten nur zum Aufwärmen nutzt. Für wetterfeste und konditionsstarke Selbstversorger erschließt sich eine oft menschenleere und mystisch anmutende Hochgebirgsnatur – mit der willkommenen Option, bei Schlechtwetter für einen Kaffee oder ein Bier in einer der Jotunheimen-Hütten einkehren zu können.

Ein guter Ausgangspunkt für die einwöchige Rundwanderung ist Gjendesheim am Gjende-See. Dorthin fahren Busse, in der Nähe liegt ein Parkplatz. Wer hier losgeht, muss noch etwas entscheiden: Macht man den Besseggen-Grat am Anfang oder Ende? Wir empfehlen die zweite Variante, bei der man die luftigste Passage des Grats gut eingelaufen im Aufstieg statt im Abstieg überwindet. Mit einem wuchtigen Rucksack auf dem Rücken fühlt sich das aus unserer Sicht sicherer an. Außerdem folgt das Highlight dann zum Schluss – als Belohnung.

Unser Jotunheimen-Trekking

Von Gjendebu nach Gjendesheim: Die Route der sechstägigen Trekkingtour durch den Jotunheimen Nationalpark in Norwegen.
  • Jotunheimen-Trekking – die Etappen mit Daten

    Etappe 1: Gjendebu – Hochtal hinter der Passhöhe Rauddalsbande, 24,2 km, 820 hm↑/360 hm↓, 7 h

    Etappe 2: Hochtal hinter der Passhöhe Rauddalsbande – Spiterstulen, 21,8 km, 230 hm↑/540 hm↓, 7 h

    Etappe 3: Spiterstulen – Galdhøpiggen – Spiterstulen, 12,4 km, 1380 hm↑/1380 hm↓, 7 h

    Etappe 4: Spiterstulen – Glittertind – Glitterheim, 15,8 km, 1350 hm↑/1070 hm↓, 8:15 h

    Etappe 5: Glitterheim – Hochtal unterhalb des Besseggengrats, 16,5 km, 440 hm↑/530 hm↓, 5:30 h

    Etappe 6: Hochtal unterhalb des Besseggengrats – Gjendesheim, 13,2 km, 790 hm↑/1090 hm↓, 6:20 h

    Gesamt: 104 km, 5010 hm↑/4970 hm↓, 41 h

    Hier geht’s zur Tour auf Komoot

Jotunheimen-Trekking Etappe 1: Von Gjendebu hinein ins Gebirge

Trekking-Traum: ein einsamer Stellplatz für das Zelt, gut geschützt vor Wind und Wetter. Foto: Philipp Laage

Schon die Anreise mit dem Mietwagen von Oslo über die Landschaftsroute Valdresflye ist ein Augenöffner. Unser Zelt schlagen wir abends am Fluss nahe dem Wanderparkplatz von Gjendesheim auf. Angemessenes Outdoor-Feeling, obwohl wir bislang nur ein paar bescheidene Meter gelaufen sind.

Weil wir uns den Besseggen-Grat für das Ende aufheben, wollen wir zunächst mit der Fähre möglichst tief ins Jotunheimen-Gebirge vorstoßen. So haben wir mehr Zeit im Inneren des Parks. Um 7.45 Uhr legt das erste Schiff am Anleger bei der Gjendesheim-Hütte des Norwegischen Wandervereins (DNT) ab. Rund eine Stunde dauert die Überfahrt zur Gjendebu-Hütte am Westufer.

Wir schlagen den markierten Weg ins Veslådalen ein, wollen bis zur Olavsbu kommen und uns in deren Nähe einen Lagerplatz suchen. Eintöniges Grau am Himmel, Wolken drücken auf die Bergkämme. Feinster Niesel, zu schwach, um uns von einem Porridge-Frühstück im Freien abzuhalten.

Bald lassen wir die Baumgrenze hinter uns und durchwandern die typisch skandinavische Fjell-Landschaft, lassen die Reizarmut auf uns wirken. Steine und Gras, Schnee auf Felsen. Wenn wir stehenbleiben, wandern die Blicke, bleiben hängen an einer winzigen Gruppe Wanderer, an einem roten Zelt irgendwo in blasser Ferne. Wenn der Wind abflaut, ist kein Geräusch zu hören. Genau solche Momente haben wir uns vom Trekking in Norwegen erträumt.

Der Weg zieht sich, nun durchs Rauddalen. Der Tag schreitet voran, ohne dass sich das Licht ändert – bis nach Stunden die Olavsbu in Sicht kommt. Die Hütte mit Selbstbedienung bietet Schlafplätze und Proviant. Wir laufen weiter, nach Norden über eine Passhöhe (Rauddalsbandet), vorbei an Schneefeldern. In dem Hochtal auf der anderen Seite bauen wir die Zelte auf, gerade noch rechtzeitig vor dem Regen, der nicht mehr aufhören wird. Kein Mensch ist hier oben. Wir fühlen uns wie einsame Entdecker eines unbekannten Kontinents.

Nahaufnahme eines Trekkingschuhs Hanwag Makra Trek GTX beim Wandern in Norwegen

Unser Schuh für ein Jotunheimen-Trekking: HANWAG Makra Trek GTX

Auf seiner Jotunheimen-Tour trug Philipp den Leicht-Trekkingstiefel HANWAG Makra Trek GTX. Philipps Fazit nach den sechs Tagen in anspruchsvollem Gelände: »Obwohl ich den Schuh vor unserer Tour nicht eingelaufen hatte, hatte ich keine einzige Blase. So muss es sein.« Entdecke den HANWAG Makra Trek GTX in unserem Webshop.

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Schweres Geläuf: Große Steine erschweren beim Wandern in Jotunheimen immer wieder das Vorankommen. Entsprechend lange dauern die Etappen. Foto: Philipp Laage

Etappe 2: Über Leirvassbu zur Spiterstulen-Hütte

Das nächste Tagesziel ist Spiterstulen, als Ausgangspunkt für eine Besteigung des Galdhøpiggen. Mehr als 20 Kilometer Wegstrecke. Doch die Zahl verrät wenig. Über das Vorankommen entscheidet der Untergrund: Je mehr Steine den Pfad spicken und je spitzer sie aus dem Boden ragen, umso mühsamer das Gehen. Jedes Geröllfeld macht uns zusätzlich langsamer. In diesem Terrain zahlt es sich aus, stabile, knöchelhohe und zugleich leichte Wanderschuhe zu tragen.

Am späten Vormittag erreichen wir Leirvassbu, eine komfortable Hütte. Für uns gibt’s hier ein vorgezogenes Mittagessen auf dem Gaskocher.

Auch der Weg zur Spiterstulen-Hütte zieht sich. Wir fragen uns, ob das der Normalzustand ist, ob wir auf einer Etappe überhaupt einmal schneller vorankommen werden als erwartet. Es sieht nicht danach aus.

Dafür klart der Himmel auf. Wir wandern in einen sonnigen Nachmittag hinein, der uns ins überaus idyllische Visdalen führt. Wild rauscht der Fluss, warm ist die Luft. Wir krempeln die Ärmel hoch, unsere Jotunheimen-Wanderung wird zum Genuss.

Neben der Spiterstulen-Hütte können Camper auf der anderen Seite des Flusses  ihr Zelt aufschlagen. Das kostet 110 Kronen (ca. 9,25 €) pro Nacht, dafür kann man die Sanitäranlagen nutzen. Wer wild campen möchte, muss sich einen Kilometer von der privat geführten Hütte entfernen. Weil talaufwärts ein scharfer Wind geht und die warme Stube lockt, wählen wir das Vor-Ort-Camping.

Höhepunkt: Der Galdhøppigen ist mit 2469 Metern der höchste Berg Norwegens – und an freundlichen Tagen keine allzu schwierige Wanderung. Foto: Christian Roth Christensen - VisitNorway.com

Etappe 3: Winter auf Norwegens höchstem Berg

Die Besteigung des Galdhøpiggen ist das erste Highlight der Tour – höher kommt man beim Wandern in Norwegen nicht hinaus.

Zwei ausgewiesene Routen führen auf den 2469 Meter hohen Gipfel. Von der Juvasshytta im Norden aus muss man über einen Gletscher und sich anseilen (am besten eine geführte Tour mit Bergführer buchen). Die Route von Spiterstulen folgt in höheren Lagen einem felsigen Grat ohne Spaltengefahr. Den Großteil unseres Gepäcks können wir unten im Zelt lassen. Angenehm.

Der Aufstieg führt erst über steile Serpentinen mit grandioser Fernsicht bergab. Irgendwann geben nur noch die roten Markierungen den richtigen Weg vor. Nebel zieht auf, wenig Sicht. Dann fängt es an zu schneien. Bald steht der Schnee knöchelhoch. Durch blockiges Gelände arbeiten wir uns auf dem Ostgrat nach oben, der über zwei vorgelagerte Gipfel hinaufführt. Rechts fällt die Felswand senkrecht zum Gletscher hin ab. Blick in die Tiefe: graues Nichts.

Als wir etwa drei Stunden auf den Beinen sind, kommt uns ein Mann entgegen. Er sei umgekehrt, weil er keine Spur mehr gesehen habe. Tatsächlich stehen wir bald vor einem Schneefeld, das im Nebel verschwindet. Wir kreuzen hangaufwärts und entdecken einen Stein mit Markierung. Der Weg ist doch nicht weg!

Dann sind wir ganz oben. Aus dem Nebel schält sich eine kleine Steinhütte heraus. Wir hatten davon gelesen, aber in der menschenfeindlichen Landschaft schien das auf unserem Weg nach oben kaum zu glauben. Wir finden die Tür, treten ein – und stehen in einem holzvertäfelten, mollig warmen Schutzraum mit Tischen und einer Kiosktheke, hinter der uns eine freundliche Norwegerin begrüßt. Die Bergführerin bewirtet an diesem Tag die Gäste. Weil gerade ausnahmsweise der Strom nicht funktioniert, gibt’s leider keinen heißen Tee. Sonst aber schon.

Unwirtliches Wetter hält in Norwegen offenbar nur wenige Leute von einer Bergtour ab. Beim Abstieg kommen uns mehrere andere Gruppen entgegen. Zwei Männer in kurzen Hosen (!) mit einem Hund (!!) berauben uns der Illusion, auf eine waghalsige Polarexpedition aufgebrochen zu sein.

Etappe 4: Die Überschreitung des Glittertind

An diesem Tag trennen sich unsere Wege.  Auf dem Weg zur Glitterheim-Hütte möchte ich den 2464 Meter hohen Glittertind überschreiten. Mein Kumpel Jan wählt den Weg durchs Tal, der am zweithöchsten Berg Norwegens vorbeiführt. Auf der von uns gewählten Jotunheimen-Wanderroute ist das eine gute Option, falls die Wetter- und Schneeverhältnisse oben am Berg zu unbeständig sind.

Auf mich wartet heute keine Aussicht, aber weder regnet, noch schneit es. Als ich mich dem Berg nähere, entdecke ich Rentiere. Sehr bald stößt der markierte Pfad direkt in die steile Flanke. Mit einem 15-Kilo-Rucksack ist der Aufstieg eine Plackerei, der Puls rast trotz Schneckentempo. Weiter oben flacht sich das Gelände wieder ab. Ich laufe im Nebel durch eine Steinwüste. Kurz vor dem Gipfel geht es weiter auf Schnee, die Spur ist eindeutig. Wichtig: Der Grat trägt eine Wechte. Unbedingt in ausreichendem Abstand zur Kante laufen!

Ganz oben: menschenleere Stille. Dann taucht ein norwegisches Paar auf. Sie wirken vergnügt und tiefenentspannt, so als hätten sie schon als kleine Kinder gelernt, diese winterlich anmutende Wildnis nicht zu fürchten.

Glanzvoll im Abendlicht: Die Glitterheim-Hütte bietet 137 Schlafplätze. Wer möchte, kann bei der Hütte zelten und ein paar ihrer Annehmlichkeiten genießen. Foto: Philipp Laage

Im Abstieg verliere ich an einer Stelle die Wegmarkierung. Eine Wanderin kommt mir entgegen. Sie erklärt, man könne auch – statt den roten Punkten zu folgen – in direkter Linie über das große Schneefeld nach unten spazieren. Manche rodelten das Stück sogar hinab. Ich suche lieber wieder den markierten Weg.

Der Pfad hinab nach Glitterheimen ist recht monoton. Unten angekommen, treffe ich Jan, der schon bei einem Kaffee in der warmen DNT-Hütte sitzt.

Auch hier gilt: Wildcampen in der Umgebung der Hütte ist nicht erlaubt. Deshalb wählen wir wieder das offizielle Camping (100 Kronen pro Nacht pro Person, ca. 8,40 €), wegen der bekannten Annehmlichkeiten: Wärme und Bier.

Etappe 5: Ein Sprung ins kalte Wasser

Hängepartie: Im Jotunheimen Nationalpark gibt es eine gute Infrastruktur für Wanderer. So sind größere Bäche und Flüsse überbrückt. Foto: Philipp Laage

Die vorletzte Etappe führt uns von Glitterheimen zum Besseggen-Grat. Sie hält noch einmal alles parat, was man sich von nordischer Wildnis wünscht.

Gleich zu Beginn führt eine Hängebrücke über einen wildromantischen Fluss. Dann steigt der Weg gemächlich an zu einem Übergang ins nächste Tal. Auf der anderen Seite legen wir unsere Mittagsrast an einem rauschenden Wildbach ein, mit Blick auf den Russvatnet-See, dessen Farbe in Tönen zwischen Jade und Türkis changiert. Runter zum Ufer, weiter am See entlang. An einer flachen, sandigen Stelle steigen wir kurz ins eiskalte Wasser. Brrr!

Nachdem wir das Ufer verlassen haben, suchen wir am Talschluss einen Lagerplatz. Ohne Gepäck steigen wir dann von der Nordseite aus zum Besseggen auf, um das Abendlicht auf uns wirken zu lassen. Auf der anderen Seite liegt Memurubu unten am Gjende-See, von dort steigen die Tageswanderer auf.

Wir bereuen kurz, dass wir weiter unten in dem kleinen Hochtal und nicht auf dem Grat selbst übernachten – und beschließen, morgen früh vor Tagesanbruch wieder hier oben zu sein. Das wird sich als kluge Entscheidung erweisen.

Etappe 6: Der berühmte Besseggen-Grat

Das frühe Aufstehen um 4.30 Uhr lohnt sich. Vor dem ersten Sonnenlicht sind wir zurück auf dem Grat, diesmal mit allem Gepäck – und erfreuen uns an einem großartigen Sonnenaufgang mit Weitblick über Jotunheimens Bergwelt. Ein hervorragendes Plätzchen für einen Morgenkaffee auf dem Kocher.

Das freundliche Wetter hält jedoch nur eine gute Stunde an. Dann zieht sich der Himmel zu. Uns begegnen Hinweisschilder: Wer von Memurubu bis zu diesem Punkt schon so und so viele Stunden gebraucht hat, sollte umkehren, steht dort. Offenbar unterschätzen viele Wanderer die Länge der populären Tour.

Wir passieren kleine Bergseen, bis die Königsetappe der Tour beginnt. Auf der einen Seite hat man das Südufer des Bessvatnet-Sees, auf der anderen fällt der Grat über eine Felswand Hunderte Meter zum Gjende-See ab. Hier lassen wir buchstäblich die Füße über die Kante baumeln (man sollte schwindelfrei sein).

Spektakulär und luftig: Der stellenweise ausgesetzte Besseggen-Grat führt vom Standpunkt hinab bis zu den Seen. Foto: Terje Rakke - VisitNorway.com

Als Höhepunkt unserer Rundwanderung folgen das zugleich spektakulärste Fotomotiv und die technisch anspruchsvollste Passage. Der Grat führt über leichte Blockkletterei auf einen Felsturm, teilweise durch Absturzgelände. Außerdem hat es nun angefangen zu regnen, die Steine werden langsam feucht. Um den Blick zurück zu genießen, suchen wir uns sichere Standplätze.

Dann schauen wir zurück – auf den Gjende zur Linken und den Bessvatnet zur Rechten, getrennt durch die zackige Schneide des Besseggen-Grats. Rund 400 Höhenmeter liegen zwischen den beiden Seen. Schließlich ziehen die Wolken endgültig zu. In gut zwei Stunden sind wir zurück am Auto. Und dankbar, dass uns Jotunheimen solch außergewöhnliche Einblicke gewährt hat.